Den Nachmittag beschließt ein Besuch im Gletschermuseum mit einer sehr informativen Ausstellung zur Entstehung von Gletschern und auch von ihrem Überlebenskampf. Ein optisch extrem beeindruckender Film in 3-D über die Gletscherwelt in Argentinien rundet dann den Abstecher in die Wüste ab, in der das sehr futuristische Museumsgebäude hingestellt wurde. Überhaupt: wir haben hier am späten Nachmittag noch um die 30 Grad C und ein paar Kilometer weiter liegt der Gletscher. Schon ein Extrem.

Auf dem Rückweg hab ich dann noch ein "Wrack" entdeckt. Also nicht so richtig, eher ein an Land liegendes Schiffchen, das so langsam vergammelt.

El Calafate zeigt sich abends wieder von seiner südspanischen Seite, sanftes Licht, lauer Wind, T-Shirt-warm und ein gegrillter Lammrücken auf der Hotelterrasse. Ich bin zufrieden



Donnerstag, 22. Januar 2015

 

Die Fahrt nach El Chaltén ist bequem und kurz. Was der Perito Moreno für El Calafate, ist der Cerro Fitz Roy für El Chaltén. Der Berg der Begierde für Generationen von Bergsteigern. So steil, dass nicht einmal der Schnee auf ihm liegen bleibt. Und die meiste Zeit von Wolken umhüllt, gibt er nur sehr sporadisch sein Antlitz frei. Also, das ist schon eine Nummer, dieser Fitz Roy, wenngleich mir persönlich der Cerro Torre noch besser gefällt. Irgendwie eleganter. El Chaltén ist ein Sammelsurium ausgefallener bis abgehalfteter Häuser und Häuschen, man kann sich nicht entscheiden, ob das Städchen noch immer im Aufbau ist oder schon mehr und mehr aufgegeben wird. Und eine bunte Schar von Backpackern, mir scheint keiner über 25, bevölkert Straßen und Cafés. Von Cafés und "Restaurants" gibt es eine Unmenge. Und alle haben, winzig wie sie mit ihren drei Tischchen teilweise sind, Internet und Wifi. Also meine Herberge, nobel wie sehr daher kommt, kann da nicht mithalten.




Freitag, 23. Januar 2015


Am ersten Tag in El Chaltén werde ich eine Wanderung zu einem Aussichtspunkt an einem kleinen Gletschersee machen, von dem man einen Blick auf den Torre hat. Eigentlich ist es ein Trekking, denn 22 km sind schon ein Wort. Es sind zwar nur etwa 400 Höhenmeter, aber es geht ständig bergauf und bergab. 

Und nach gut fast einer halben Stunde steilem Zustieg zum Pfad motiviert das nachfolgende Schildchen doch sehr. Wobei, das sei erwähnt, der Zustieg nicht mitgezählt ist.






Samstag, 24. Januar 2015

 

Das Wander-Trekking hat dazu geführt, dass meine Oberschenkel mir raten, heute eine gemütliche Schiffstour auf dem Lago del Desierto zu machen. Das sei besser. Und anschließend dem Treiben in El Chaltén's Broadway zuzusehen. Dem habe ich nicht widersprechen können. Die Seefahrt hat auch den Vorteil, dass man - falls er möchte - den Fitzroy zu sehen bekommt. Von der Nordseite.


Nein, er will nicht. Dann halt noch einmal von der anderen Seite.

Good bye El Chaltén.

Sonntag, 25. Januar 2015

 

Heute steht  die Durchquerung des Kontinents auf dem Plan. Von West nach Ost bis an die Atlantikküste. Schotter, Schotter, Schotter, 250 km am Stück. In meinem Sessel zuhause war das der Traum. Die Fotos waren sehr verheißungsvoll. Abenteuer! Deshalb mach ich die Tour. Gut, die Euphorie hinsichtlich Schotterpisten hat sich mittlerweile gelegt. Im Vordergrund stehen jetzt vielmehr Gedanken an Reifen und Bodenbleche. Nicht auszudenken, wenn da plötzlich - nein, einfach nicht weiterdenken!!!

Um es vorwegzunehmen, auf der gesamten Strecke sind mir zwei LKWs und drei PKWs entgegen gekommen, ich habe einen LKW und einen PKW und ein paar wenige Motorradfahrer überholt. Ansonsten ist man ganz bei sich und seinen Gedanken. Die Straßenkarte versprach eine einfache Navigation: Ruta 23, dann auf die 40 und bei Tres Lagos auf die Schotterpiste R dos-otscho-otscho, auf Deutsch Piste zweihundertachtundachtzig.

Das ging auch alles recht gut, bis auf einmal kurz vor Tres Lagos die Straße zu Ende war. Hinter einem Erdwall ging zwar der Neubau der Straße weiter, aber noch nicht befahrbar. Ich bin allerdings nicht der einzige Orientierungslose, auch ein Fahrzeug mit argentinischen Nummernschild ist vor mir. Ich folge ihm erst einmal in der Hoffnung, er sucht auch diese R 288. Die Fahrweise deutet darauf hin, dass der gute Mann keine Ahnung hat. Also fragt er einen am Straßenrand stehenden Menschen. Ich halte daneben und fahre die Seitenscheibe runter. Versteh natürlich nichts. Ich frage zum Schluss "donde esta dos-otscho-otscho?", muss doch zu verstehen sein, so ganz falsch ist das auch nicht. Das argentinische Auto zeigt in die Richtung hinter uns, wendet und fährt weiter. Dann kommt der Mensch auf mein heruntergelassenes Seitenfenster zu und erklärt mir den Weg zur dos-otscho-otscho. Hätte auch die Beschreibung zur nächsten Wallfahrtskirche sein können, jedenfalls redet der und redet und fuchtelt mit den Armen, als wolle er unser Sonnensystem beschreiben. Je verständnisloser ich schaue, je mehr Sonnensysteme versucht er in seinem Armkreisen einzubeziehen. Allerdings checke ich dann, dass er immer die Worte "a la derecha" wiederholt. Also rechts halten. O.k., gracias und weg. Ich habe den Argentinier wieder eingeholt und fahre ein Stück hinterher. Der biegt auf einmal jedoch links ab. Kurze Irritation, dann vermute ich, der will zu einem anderen Sonnensystem. Beim Thema Sonnensstem wird mir klar, wenn die Sonne um x-Uhr dort steht wo sie steht und ich nach Osten will, dann ist die grobe Richtung in der Tat "a la derecha". Aber welche dieser Pisten ist jetzt die dos-otscho-otscho? Die hier vor mir wohl nicht, oder wurde die Piste durch den Vorgarten dieser Bretterbude gelegt? Also versuchen wir mal die daneben, Risiko! Im Zweifel geht es wieder zurück über Null. Und nach ein paar hundert Metern sehe ich, ganz klein, ganz unten an einem abgeknickten Verkehrsschild den Wegweiser Ruta dos-otscho-otscho. Und ein paar Kilometer weiter die erste Hinweistafel mit Pfeil geradeaus nach "Commandante Luis Piedra Buena". Hier sind wir richtig.




Auch die längste Schotterstrecke hat einmal ein Ende. Ich habe mit dem Nissan gelitten, aber die Kiste hat sich hervorragend geschlagen. An dieser Stelle sei doch mal erwähnt, dass Hertz sehr gut gepflegte und neue Fahrzeuge (18.000 km bei Übernahme) im Fahrzeugpark hat. Etwa 20 km vor Comandante Luis Piedra Buena geht es wieder auf Asphalt. Gespenstisch diese Ruhe. Irgendwie fehlt das Geklapper, die Musik der Piste. Hier gibt es auch wieder frisches Benzin, einen Kaffee und eine Rolle Kekse und die Möglichkeit, Dollar gegen Peso zu wechseln. Jeder Tankwart eine Wechselstube.

Bis zu meiner Hosteria Monte León sind es nur noch knapp 50 km. Die mir bekannte Adresse ist Ruta 3 km 2399. Tja, schaun wir mal. Aber tatsächlich auf Höhe des Kilometer-Schildchens, wirklich alle Kilometer ein Schild, geht es links auf eine Schotterpiste und an deren Ende liegt die Hosteriea.

Eine sehr alte, aber wirklich in Ehren gealterte Estancia, Anfang des 19ten Jahrhunderts erbaut als Wohnsitz der wohlhabenden Schafzüchterfamilie Braun-Mendez. Alles ist noch so wie zu Zeiten der Bewirtschaftung, die aber Mitte Neunzehnhundert eingestellt wurde. Das Mobiliar, die Räume, wohl vier Meter hohe Türen, das Dinner wird in Silber aufgetragen, sogar das Besteck ist von Christofle. Die hatten schon Stil, die Herren und Damen Viehzüchter. Betrieben wird die Hosteria heute von zwei Brüdern, Ur-Enkeln der Mendez-Familie. Wirklich so nett, die beiden. Nicht von der Hotelfachschule, aber sehr bemüht und authentisch. Serviert wird stilecht in Schürze und Kopftuch. Hier hat man wirklich einmal das Gefühl, gern gesehener Gast zu sein. So erfrischend anders als in der typischen Hotellerie. 




Ich war am ersten Abend der einzige Gast und hatte das Haus für mich allein. Die beiden Brüder wohnen in separaten Häusern auf dem Hintergrundstück.

Gespenstisch! Gruselig war's. Aber ich hatte einen Aufpasser. 

Montag, 26. Januar 2015

 

Monte León ist ein kleiner Nationalpark, der eine Magellan-Pinguin Kolonie beheimatet. Seelöwen sollen auch da sein, ich hab aber keine zu Gesicht bekommen. Nun ja, dort wo sie sein sollten war auch gerade Seenebel und der Aussichtspunkt auf der Klippe wohl gut hundert Meter höher gelegen. Der Monte León Nationalpark sei ein Nationalpark "low key" wie Carlos, der jüngere der Brüder es nannte. Er hat schon einiges zu bieten, sogar einen Strand, der betreten werden darf. Aber baden geht dort keiner. Brrrr!

Pinguine sind schon putzige Tiere. Die Königspinguine (Antarktis) sind so der Hochadel. Und ich will den Magellan-Pinguinen ja nicht zu nahe treten, aber irgendwie kommen die mir vor, wie nur angeheiratet. Sind schon niedlich, aber leben auf Sand. Ist in meiner beschränkten Begriffswelt nicht so richtig Pinguin-like. 






Nach der Besichtigung der Pinguin-Kolonie zog plötzlich Nebel auf, aus im wahrsten Sinne des Wortes heiterem Himmel, eine gespenstische Atmosphäre. Nebel des Grauens, und ich mittendrin, ob ich jetzt auch zum Einzeller schrumpfe wie in dem 60er-Jahre-Schocker?




Am zweiten Abend war ein argentinisches Ehepaar da mit Töchterlein. Sie kamen - in Etappen - von Buenos Aires mit dem Auto. Respekt! Wir unterhielten uns über das Problem mit den Tankstellen und dass man seine Reiseroute nach dem Tankstellennetz, sofern man von einem Netzt überhaupt sprechen kann, planen müsse. Er sagte mir, es reiche nicht allein zu wissen, wo eine Tankstelle ist, denn hin und wieder bekommt man kein oder nicht die Menge an Benzin, die man bräuchte. Tankstellen verkaufen bei Knappheit Benzin halt nur eingeschränkt an Auswärtige und behalten es für die ansässigen Autofahrer. Super Logik. Aber das größere Problem als Benzinmangel seien Reifenpannen. Da dürfe man auf keine Hilfe hoffen. Also da bin ich heilfroh, dass ich bislang alles heil überstanden habe. 

Dienstag, 27. Januar 2015

 

Heute steht die Weiterfahrt nach Rio Gallegos auf dem Plan. Knappe 200 km über die Ruta 3, asphaltiert, der Küste entlang. Leider nicht direkt, so dass kein Blickkontakt besteht. Somit keine Chance, ein vielleicht vorhandenes Schiffswrack zu sichten. Schade eigentlich. Ich hatte gehofft, einige vor die Kamera zu bekommen.

Rio Gallego ist eine Hafenstadt am gleichnamigen Fluss, eben dem Rio Gallego. Ich hatte zwei Nächte eingeplant. Hafenstadt, dachte ich, da gibt es Schiffe, buntes Treiben, am Flussufer vielleicht Schiffswracks, ich hatte halt so meine Vorstellungen. Allerdings, der Reiseführer schreibt: "Wer nicht unbedingt muss, wird in Rio Gallego keine Zeit verbringen wollen". Hatte ich zu spät gelesen. Und hier wird die Reiseplanung leider suboptimal, denn der Reiseführer hat Recht. Aber zwischen Rio Gallegos und dem nächsten Ziel, der Hosteria Las Lengas am Lago Blanco, war keine Unterkunft aufzutreiben. Ich hätte auf Verdacht losfahren können, vielleicht sogar in der vielgepriesenen Hosteria La Frontera in St. Sebastian unterkommen können. Die einzig bekannte Hosteria auf dem Weg Richtung Lago Blanco. Nur die Telefonnummer aus dem Reiseführer stimmte nicht. Aber dazu später. Und dahinten ist Niemandsland, das Risiko auf eine Übernachtung im Auto ist fifty-fifty. Aber ein Tag mal zum Ausspannen, auch wenn es in Rio Gallegos ist, hat seine Reize.

Allerdings habe ich mein Hotel gewechselt. Das Hotel "Aire de Patagonia" als Desingnhotel verkauft, entpuppte sich als ziemlich abgeranzter Laden in einer wenig angenehmen Umgebung. Designhotel übrigens, weil in der Lobby ein paar futuristisch anmutende Lampen standen und Bilder hingen, die man auch als Folterwerkzeug für das Auge hätte hernehmen können. Ich habe dann das erste Haus am Platze gewählt, wirklich nicht schlecht und in der Tat fünf Euro preiswerter als das andere.  


Rio Gallegos ist wahrlich keine Schönheit, der Hafen ist, naja, nur noch bedingt als solcher zu erkennen. Hat schon bessere Zeiten erlebt. Aber erstens hat das Café Centrales derart genialen Kuchen - direkt aus dem Giftschrank - und mal einen gescheiten Cappuccino. Und eine Reihe von "Bauwerken" in dieser Stadt sind durchaus ein Foto wert. Vieles, wirklich vieles, ist ziemlich herunter gekommen. Aber es gibt eine prachtvolle Seepromenade und ein paar architektonisch ganz reizvolle Häuser. Ein extremer Spannungsbogen zwischen Sanierungsgebiet und gutbürgerlicher Wohnkultur.







 

Donnerstag, 29. Januar 2015

 

Was auf dem Stadtplan recht einfach aussah, entpuppt sich in der Realität als ziemlich trickreich: die Zufahrt zur Ruta 3 Süd zu finden. Dieses Gewirr von Kreisverkehren und Strassen habe ich dieser Stadt gar nicht zugetraut. Und vor allem fahren die Argentinier morgens - wahrscheinlich eilig auf dem Weg zur Arbeit - einen ganz anderen Stil als nachmittags. Ständig hängt einem jemand an der Stoßstange, rechts, links überholen und schneiden, vordrängeln, ich stelle mir nur vor, wie es wohl in Buenos Aires zugehen wird. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich mitziehen zu lassen und schwupp bin ich auf der Ruta 3. Allerdings Richtung Norden. Die nächste Möglichkeit abzubiegen, darauf weist ein Schild hin, besteht in 8 km. Die Ruta 3 ist hier ausgebaut wie eine Autobahn. Prächtig, mit Straßenlaternen alle fünfzig, eher dreißig Meter. Muss hier nachts auch taghell sein. 

Auf dem Rückweg klappt es dann und ich bin auf der richtigen Spur. Die Strecke zum Lago Blanco ist knapp 400 km, gut die Hälte davon Piste. Zwischen Rio Gallegos und meinem nächsten Ziel liegen die Grenzstation, eine Fähre über die Magellanstraße und eine Tankstelle in Cerro Sombrero. Für den Rückweg nach Punta Arenas ist geplant, von Lago Blanco nach Porvenir zu fahren  und dort die Fähre zu nehmen. Einchecken um 13:00 Uhr, Fahrtdauer zweieinhalb Stunden. Entfernung bis zur Fähre gut 260 km, ausschließlich Piste. Also früh los und: wird der Sprit reichen? Dass sich auf halber Strecke nach Porvenir in Russfin noch eine Tankstelle befindet habe ich erst später erfahren. Mit einer Tankfüllung von Cerro Sombrero zum Lago Blanco und dann nach Porvenier könnte knapp werden. Also sollte man einen Reservekanister beschaffen, fünf, besser zehn Liter. Nun gehören in dieser Gegend Reservekanister nicht zur Standardausrüstung von Tankstellen oder anderen Einkaufsmöglichkeiten. Erstaunlich, bei der Tankstellendichte müsste es die Dinger an jeder Straßenecke geben. Nach längerer Suche wurde ich an einer Tankstelle fündig, es gab noch einen 5-Liter Kanister. Nun ja, für Apfelsaft sicherlich geeigneter als für Benzin. Und dieser Einfüllstutzen. Ohne Gewinde. Aber wenn die meinen! Der Argentinier gestern Abend hat mir noch geraten, auf jeden Fall nur einen stabilen Kanister zu kaufen, die üblichen wären nie ganz dicht. Gut, in der Not nimmt der Teufel auch Plastikbeutel. Der Argentinier hatte natürlich Recht. Nicht dass der Kanister geleckt hätte, aber die Ausdünstungen waren im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend. Ich hätte den sogenannten Kanister natürlich erst in Cerro Sombrero zu füllen brauchen. Aber da ich gerade beim Tanken war, habe ich in Rio Gallegos bereits die Luft rausgelassen. Verstauen musste ich das gute Teil im Fussraum vor dem Beifahrersitz. Im hinteren Wagenteil zu gefährlich. Hätte umkippen können. Die Fahrt sah dann so aus, dass ich alle Fenster einen Spalt öffnen musste, um einen optimalen Luftdurchzug und damit Austausch zu gewährleisten. Die Folge: Staub. Staub im Auto, Staub überall. Dieser fiese ganz feine Staub. Obwohl ich schon bei jedem Entgegenkommer die Scheiben hochgemacht habe. Glücklicherweise waren es ja nicht so viele. Nachdem ich in Sombrero nochmal vollgetanken konnte, habe ich ständig auf den Kilometerzähler gestarrt, wann denn nun etwa 70 km abgefahren sind, damit ich umfüllen kann. Endlich geschafft, den Umfüllvorgang beschreib ich besser nicht. Aber dann, was mach ich mit dem Kanister? Mitnehmen im Auto? Vergiftung! Außen festbinden? Wohl nicht. Ich gestehe, aber es war schließlich eine Notsituation, ich habe den Kanister dort gelassen. Ich habe ihn aber da abgelegt, wo schon mehr Müll und Unrat lag. Ist somit kaum bis gar nicht aufgefallen. 

Übrigens, die Grenzformalitäten waren recht unproblematisch. Bei dieser Grenzstation sitzen Argentinier neben Chilenen und wickeln das ganze Procedere gemeinsam ab. Wer spanisch lesen kann, ist klar im Vorteil, aber nach gut einer halben Stunde habe ich alle vier Stationen mit vielen Stempeln und Papieren passiert. Was die Argentinier - Ausreise - mir gegeben haben, haben mir die Chilenen - Einreise - wieder abgenommen und umgekehrt.

Und so bin ich dann bei der Hosteria Las Lengas am späten Nachmittag angekommen. Ich habe bestimmt noch eine Duftwolke von Superbenzin, 93 Oktan mit mir an diesen friedlichen Ort gebracht. 




Freitag, 30. Januar 2015


Hosteria Las Lengas am Lago Blanco. Der angeblich schönste See in Feuerland, wobei es richtigerweise vielleicht auch auf Feuerland heißen müsste, denn Feuerland ist eine Insel. Ja, der See ist schön wie jeder See der in der unverbauten und intakten Natur liegt. Schmale Kiesufer, umsäumt von Bäumen, die sich der Wind gefügig gemacht hat. Glasklares Wasser bis zum Horizont. Die Hosteria, einstmals ein sicherlich schmucker Bau mit großen Glasflächen, ist wie fast alle Häuser, die ich besucht habe, arg in die Jahre gekommen. Aber wie schon gesagt, wir sind hier am Ende der Welt.    


Die Hosteria hat was wir bei uns „absolute Alleinlage“ nennen würden. Sie ist die einzige Behausung und Übernachtungsmöglichkeit weit und breit. Strom wird per Dieselgenerator erzeugt und natürlich rationiert. Morgens von sieben bis neun Uhr und abends von einundzwanzig bis vierundzwanzig Uhr. Das heiße Wasser wird in einem zentralen Boiler zubereitet, der mit Holz beheizt wird. Das immerhin den ganzen Tag. Es führt allerding dazu, dass bei ungünstigem Wind die Fenster geschlossen bleiben müssen, weil der Rauch sonst im Zimmer Geruch und Geschmack hinterlässt, als würde man an einem Lagerfeuer sitzen. Man muss es nur wissen. Es haben aber offensichtlich vor mir auch schon Legionen von Gästen nicht gewusst. Nun gut, die Riechzellen haben sich nach einer halben Stunde daran gewöhnt, meine Befürchtung ging nur in die Richtung, dass meine Kleidung jetzt zwar nicht mehr nach Benzin, sondern nach Holzofen riechen wird.    


So schön der See und die ihn einbettende Landschaft auch sein mögen, sie bieten leider nicht viele Möglichkeiten. Überhaupt wundert mich, dass bei der Vielzahl von Seen in Patagonien überhaupt kein Wassersport betrieben wird. Hat sicherlich mit dem Naturschutz zu tun und ist verständlich, vielleicht auch mit den Wetterbedingungen. Ansonsten wären die Seen das Paradies für Kiter und Starkwindsurfer. Aber nicht einmal ein Kanu ist zu sehen.

Es bieten sich mir nur zwei Möglichkeiten, entweder sich ins Auto setzen und zu einem etwa 60 km entfernten Trekkingpfad fahren. Was es dort zu sehen gibt, hat sich mir allerdings nicht erschlossen. Oder den Mikrokosmos um die Hosteria erkunden. Las Lengas liegt in einem tausend Jahre alten Wald, was man ihm auch ansieht. Ist aber interessant, wie hier alles kreuz und quer umher liegt, ein Gewirr von toten Bäumen und Ästen. Das ist hier zwar besonders ausgeprägt, aber für Feuerland recht üblich. Überall stößt man auf große Flächen, auf denen sich totes Gehölz zwischen nachwachsenden Bäumen und Sträuchern stapelt. Ich stelle auch hier wieder fest, Feuerland ist nicht ganz so, wie ich es mir eigentlich vorgestellt habe. Wald oder Steppe halt, nichts Dramatisches oder Aufregendes. Vom Wind gebeutelte Bäume lassen allerdings darauf schließen, was zu anderen Jahreszeiten hier los ist.

Der Hausprospekt der Hosteria stammte offensichtlich auch aus langvergangenen Zeiten, denn von den dort angebotenen Aktivitäten für die Besucher ließ sich leider nichts mehr realisieren. Vielleicht hätte ich mal die Angeltour auf dem See gemacht. So blieb nur der Hinweis, dass im Waldstück hinter dem Haus ein kleiner See sei an dem Biber einen Damm gebaut hätten. Vielleicht bekäme man die Tiere zu Gesicht. Immerhin. Ach ja, ein Pferd hat man mir angeboten. Sie hätten noch eins, da könne ich reiten. Nein Danke, ich will noch zur Antarktis und mir nicht vorher das Genick brechen.

Also ich hab den Tag langsam angehen lassen, Biber beobachtet, die sich beharrlich in ihrem Bau versteckt hielten, Fotos gemacht, gelesen und schon nachmittags ein Glas Wein getrunken.    





Alles in allem war dieser Abstecher nach La Lengas keine Offenbarung, aber ich kenne jetzt den Lago Blanco und einen Teil der chilenischen Seite der Terra del Fuego.

Die Abreise am nächsten Morgen fiel somit nicht schwer. Sie stand vor allem nicht mehr unter dem Zeitdruck, den der ursprüngliche Plan erzeugt hätte. Geplant war nach Porvenir zu fahren und die Fähre nach Punta Arenas zu nehmen. Ich hätte spätestens um halb Acht los müssen, um das Einchecken um zwölf Uhr rechtzeitig zu erwischen. Eine Reservierung war nicht möglich. Ich hatte mich zwischenzeitlich entschieden, den Landweg zu wählen. Der ist zwar hundertfünfzig Kilometer weiter, hat aber folgende Vorteile: ich bin zeitlich nicht so gebunden, da die Fähre über die schmale Magellanstraße permanent in Betrieb ist, ich nochmal ein anderes Stück von Feuerland sehe, nicht zweieinhalb Stunden auf einer Fähre sitze (die ich vielleicht gar nicht gekriegt hätte!) und ich der wie schon erwähnten Hosteria la Frontera einen Lunchbesuch abstatten kann. Und die Straße folgt über eine längere Strecke dem Küstenverlauf. Sollte sich da nicht die Chance auf ein Schiffswrack ergeben?