Eine Hauptattraktion in Bukarest ist natürlich das von Ceausescu in seinem Größenwahn errichtete Haus des Parlaments. Es ist nach dem Pentagon das zweitgrößte Gebäude der Welt. Unfassbar und auch gar nicht beschreibbar diese Verschwendung. Und nur weil dieser kleine Mann Ceausescu den monströsen Palast des Volkes in Nordkorea übertrumpfen wollte. Eigentlich sollte der Bau nach dem Sturz des Diktators abgerissen werden, nachdem er jahrelang dem Verfall preisgegeben war. Man hat sich dann aber doch aus Respekt vor den Arbeitern, die dieses Bauwerk erschaffen haben und vor allem aus Respekt vor den hunderten von Toten, die dieser Bau gefordert hat, entschlossen, eine sinnvolle Verwendung zu suchen.

 


Wenn das Wetter passt und man so etwas mag, dann ist ein Besuch im Dorfmuseum Muzeul Satului sicherlich nicht das Verkehrteste. Über 300 Originalbauten von Bauernkaten, Scheunen, Ställen, Gasthäusern, Windmühlen und Kirchen eben einen Eindruck vom Leben in den letzten Jahrhunderten. Der sich anschließende Park mit Büsten der Gründerväter der Europäischen Union erstaunt, ebenso das sich daran anschließende Gehege mit prachtvollen Pfauen. Wie passt das zusammen? Gott sei Dank, die Gedanken sind frei .......



Auch ein sehr ansprechendes und im Innern sehr beeindruckendes Gebäude ist das Athenäum, in dem das philharmonische Orchester Bukarest untergebracht ist. 

Die Führungen sind sehr unkompliziert und individuell. Man geht zum Hintereingang und bekundet Interesse und gegen eine Spende von ein paar Ron nimmt sich jemand der Anwesenden Zeit. Am Abend unseres Besuches sollte ein Konzert stattfinden, unter anderem stand von Maurice Ravel der "Bolero" auf dem Spielplan. Ich bin kein Experte, aber der "Bolero" gefällt mir. Ich habe sogar noch eine "Schallplatte" mit dem Titel zuhause. Vor gefühlten hundert Jahren gekauft. Das Konzert, tja, leider ausverkauft. Konzerte seien immer ausverkauft. Enttäuschte Blicke, hätte man doch zumindest für diesen Zweck das weiße Oberhemd endlich tragen dürfen. Aber wie es in postkommunistischen Ländern nach wie vor so üblich ist, gibt es immer eine Lösung, um den wahren Kunst- und Kulturfreund zufrieden zu stellen. So könne man gegen eine weitere Spende sicherlich noch ein paar freie Plätze auftreiben. So haben wir es dann gemacht und einen erfrischenden Konzertabend genossen. Mit weißem Oberhemd.



Kunstmuseen, Galerien, Ausstellungsräume, Kunstprojekte und Performances, man könnte Tage damit verbringen, sich auch nur einen groben Überblick zu verschaffen. Ein paar haben wir geschafft, aber in der Regel war das Fotografieren verboten oder teuer oder schlichtweg uninteressant. Nur diese Blechgeschöpfe standen geduldig Model.



Der Cismigiu-Park ist eine Oase in der Hektik der Großstadt. Er ist übrigens nach Plänen des deutschen Gartenbaumeisters Carl R. Mayer angelegt worden. Der Park ist Treffpunkt für Jung und Alt und bietet auch eine geschützte Ecke für Spieler und Männer, die von ihrer glorreichen Vergangenheit träumen. So wie das Triumvirat im ersten Foto. Ehemalige Boxer, Olympiateilnehmer sogar. Da waren wir froh, dass wir Ihre Frage, ob wir Engländer seien, verneinen und uns als Deutsche outen konnten. Da war die Freude groß, Deutsche mag man. Das haben wir sehr genossen.

 

 

Von Bukarest ging es nun heimwärts über Bad Hercules und dem Dörfchen Petnic, wo ein Verwandtenbesuch stattfinden sollte. Eine Zwischenübernachtung haben wir in Targu Jiu eingelegt, weil wir uns die Donau und das Eiserne Tor, das als Gemeinschaftsprojekt von Rumänien und Serbien betriebene Wasserkraftwerk ansehen wollten. Targu Jiu hat aber einen derart traurigen Eindruck gemacht, insbesondere weil es auch geregnet hat, dass es nun gar keinen Sinn machte, auch nur ein interessantes Foto zu machen. Deshalb ging es am nächsten Morgen gleich weiter an die Donau bis hinter Orsova, wo die Donau eine seeähnliche Ausbuchtung macht.

Am Eisernen Tor - fotografieren verboten. Sicherheitsbereich.

 


Ein Stopp in Bad Hercules oder Baile Herculane macht eigentlich nur dann Sinn, wenn man Rückenbeschwerden oder Rheuma hat oder aber an dem Gegensatz von verfallenem Charme alter Bäderkultur und Hotelklötzen kommunistischer Prägung. Bad Hercules muss einmal sehr prächtig gewesen sein. Heute ist ein Großteil des Kurbades in einem bedauernswerten Zustand. Einzelne, ganz wenige alte Gebäude sind bzw. werden gerade saniert. Und dabei handelt es sich um Kernsanierungen, nicht mal eben die Fassade streichen. Die Investoren haben Mut. Das muss man schon sagen. Sicherlich kommen nach wie vor Kurgäste, aber das ist von den vergangenen Zeiten weit entfernt. Und ein Großteil der Hotelklötze, die für Ceausescus Apparatschicks erbaut wurden stehen leer. Zukunft? Man hofft, ist aber ungewiss.

 


Auf dem Weg von Bad Hercules nach Petnic kann man einen kleinen Umweg machen und die Bigar-Wasserfälle besuchen. Das Wasser fließt gespeist durch einen der größten Karstsprudel in Banat über einen Teppich aus Moos in das Flussbett. Nur acht Meter hoch, aber sehr beeindruckend.



Petnic ist ein typisches kleines Dorf im Banat. Man wird sich nicht dahin verlieren, wenn es keinen konkreten Grund gibt. Typisch, weil es zum einen ein "sterbendes" Dorf ist. Überwiegend leben hier die Alten. Nur in den Sommerferien sind junge Leute hier, Schülerinnen und Schüler, die traditionell ein Teil der Ferien bei den Großeltern verbringen. Das war schon immer so. Wer kann, verlässt das Dorf und sucht sein Glück in Timisoara oder andernorts. Typisch andererseits, weil es hier noch die dem Banat eigenen Hausfassaden mit kleinen, bunten Kacheln gibt.

Und schön zu sehen, dass vor dem Gemeindehaus die Europaflagge weht.



Nach dem Verwandtenbesuch beim "Herrn Doktor", dem Tierarzt des Dorfes - die ältere Dame auf dem letzten Foto grüßte respektvoll "guten Tag der Herr Doktor", auf rumänisch natürlich -  nach herrlicher Wildschweinwurst und Wildschweinkotellets, selbstgeschlachtet, ging es zurück ins morbide Bad Hercules. Noch einmal durch die zerfallene Pracht des letzten Jahrhunderts schlendern, vielleicht einen Blick ins Foyer eines dieser Hotelklötze werfen können und am nächsten Tag wieder zurück nach Timisoara. Vorher Wein kaufen im Recas, eines der wichtigsten Weinanbaugebiete Rumäniens und vor der Rückreise nach Deutschland nochmal auf den Gemüsemarkt gehen. Tomaten, die richtig nach Tomaten schmecken und Gemüse mitnehmen, das wir zwar dem Namen nach auch bei uns kaufen können, das aber in Farbe, Form und Geschmack hier eine ganz andere Liga ist. Schön, dass sich Rumänien bislang von diesem europäischen Einheitsgestrüpp emanzipiert hat.